Das Weinlager „Zollkeller“ in Plauen – Von edlen Tropfen zu lebensrettenden Schutzräumen

Ein Kellergewölbe mit jahrhundertealter Geschichte

Unter der heutigen Plauener Sparkasse verbirgt sich eine der faszinierendsten unterirdischen Anlagen der Stadt: der sogenannte „Zollkeller“. Diese historische Kelleranlage, deren Ursprünge bis ins Jahr 1680 zurückreichen, erzählt eine vielschichtige Geschichte von mittelalterlichen Fluchtwegen, edlen Weinen und lebensrettenden Luftschutzräumen.

Das über dem Portal noch heute sichtbare Sandsteinrelief mit den Göttern des Weines – Bacchus und sein Trinkgeselle, die eine kunstvoll gehauene Weintraube schultern – zeugt von der glanzvollen Zeit als eines der bedeutendsten Weinlager der Region. Müde und trunken, so scheint es, zieren diese steinernen Figuren das Portal und künden von den edlen Schätzen, die einst in den tiefen Kellern ruhten.

Gustav Albig und das Zeitalter der edlen Tropfen

Um das Jahr 1910 erwarb der stadtbekannte Weinhändler Gustav Albig diese historischen Kellerräume und verwandelte sie in ein erstklassiges Weinlager für Zollware. Albig, der weit über die Grenzen Deutschlands hinaus für seine exquisite Weinauswahl bekannt war, erkannte das außergewöhnliche Potenzial dieser unterirdischen Gewölbe. Die konstant kühlen Temperaturen und die optimale Luftfeuchtigkeit schufen ideale Bedingungen für die Lagerung hochwertiger Weine.

Das Weinlager muss von ganz außergewöhnlicher Bedeutung gewesen sein, denn die Dimensionen waren beeindruckend: Allein in einem der fünf historischen Keller lagerten im Jahr 1913 stolze 12.000 Flaschen des edlen 1904er „Château Langoa St. Julien“ – ein Bordeaux-Wein von einem der renommiertesten Weingüter aus Saint-Julien, das seit 1821 im Besitz der traditionsreichen Familie Barton steht und als Troisième Grand Cru Classé klassifiziert ist.

Gustav Albigs Geschäft florierte: Seine erlesenen Weine kamen in Kesselwagen am Oberen Bahnhof an und wurden direkt in seine sechs Zentner schweren Holzfässer umgefüllt. Mit Pferdefuhrwerken transportierte er die kostbare Fracht zu seinen „heiligen unterirdischen Lagern“, wo die Fässer auf eigens zugehauenen Granitblöcken und gemauerten Sockeln ruhten.

Vom Fluchtweg zum Weinparadies

Die Geschichte der Kelleranlage reicht jedoch weit vor Gustav Albigs Zeit zurück. Der Hauptstollen, ein schmaler, mannshoch ausgehauener Gang, war ursprünglich um 1220 als Fluchtweg aus der ummauerten Stadt angelegt worden. Von diesem Hauptgang zweigen die fünf bekannten Kellerräume ab, die bereits um 1750 entstanden sein sollen.

Der Wandel zur Schutzstätte

Als in den letzten Kriegsjahren des Zweiten Weltkriegs die verheerenden Bombenangriffe über Plauen hereinbrachen, erhielten die historischen Kellerräume eine völlig neue, lebensrettende Funktion. Das ausgedehnte Stollensystem wurde als Luftschutzkeller genutzt und bot etwa 250 bis 300 Menschen Schutz vor den alliierten Bombenabwürfen auf Plauen.

Die Anlage war jedoch kein öffentlicher Luftschutzraum für jedermann. Aufgrund der begrenzten Fläche – es handelte sich im Wesentlichen um Gänge und kleinere Räume – war die Aufnahmekapazität schnell erschöpft. Daher gab es eine bestimmte Festlegung der Personen, denen Zutritt gewährt wurde. Die örtliche Feuerwehr hatte hier ihr Quartier bezogen, und auch deren Angehörige fanden Unterschlupf in den aus dem Fels herausgehauenen Nebenräumen mit ihren Nischen.

Zerstörung und Wiederentdeckung

Durch die schweren Beschädigungen und teilweise Verschüttung war der Zollkeller unbrauchbar geworden. Er wurde mit Granitplatten abgedeckt und geriet im Laufe der Zeit in Vergessenheit. Erst 1992 stieß man bei Bauarbeiten neben der Sparkasse auf die Verschlussplatte. Die ersten Befahrungen folgten, und eine neue Treppenanlage wurde zu den acht Meter tief gelegenen Kellern angelegt.

Ein Denkmal verschiedener Epochen

Heute steht der Zollkeller als beeindruckendes Zeugnis für die wechselvolle Geschichte Plauens. Von seinen Anfängen als mittelalterlicher Fluchtweg über die glanzvolle Zeit als Weinlager von Gustav Albig bis hin zur dramatischen Nutzung als Luftschutzkeller – diese unterirdische Anlage hat verschiedene Epochen der deutschen Geschichte miterlebt.

Der Zollkeller könnte sich als das unterirdische Zentrum Plauens herausstellen, denn von hier sind es nur etwa 500 Meter bis zum Alaunbergwerk „Ewiges Leben“ und ungefähr die gleiche Entfernung bis zum Luftschutzmuseum „Meyerhof“ – ein faszinierendes Netzwerk der Plauener Unterwelt.